Wenn ich an italienische Lebensart denke, dann ist Kaffee ganz vorne mit dabei. Ich denke dieses Wort sogar italienisch: caffèalso [kaff-EH] – mit Betonung auf dem letzten E. Der neapolitanische Dramatiker Eduardo De Filippo brachte es auf den Punkt: „Il caffè è la poesia della vita“ – Kaffee ist die Poesie des Lebens. Und besonders am italienischen Kaffee ist für mich nicht der Espresso oder der Cappuccino, sondern der Moka.

Eigentlich die Moka, denn sie meint nicht nur das Getränk selbst, sondern die Art und Weise, wie man es herstellt. Die Geschichte der italienischen Kaffeekultur reicht dabei weit zurück – über die arabische Halbinsel und Äthiopien bis ins Mittelalter, bevor italienische Erfinder zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und den 1930er Jahren daran tüftelten, konzentrierten Kaffee buchstäblich unter Hochdruck herzustellen.

Genau da kommen wir zum Souvenir, das wir euch diesmal präsentieren wollen: Das Moka-Kännchen, oder einfach die Moka. Viele kennen dieses Alu-Kännchen auch unter dem Namen des bekanntesten Herstellers: Bialetti.

„Eh sì, sì, sì… sembra facile fare un buon caffè!“
„Oh, ja, ja… es scheint einfach, guten Kaffee zu machen!“

So haben wir sie auch kennengelernt. Vor über zehn Jahren waren wir zum ersten Mal gemeinsam in Italien und es war klar: Als Studenten wird es kein großes Souvenir geben, aber dieses kleine Küchenutensil wollten wir schon haben. Das erzählten wir auch unseren italienischen Gastgebern und so kam es, dass wir uns selbst in Mailand eine Bialetti kauften und die typische italienische Version in grün-silber-rot von unseren Gastgebern geschenkt bekamen – als Abschiedsgeschenk.

Also hatten wir plötzlich zwei. Dumm nur, dass die Lufthansa damals auf dem Weg von Mailand nach Stuttgart nicht nur unsere Koffer inklusive Klamotten und Kamera verlor, sondern auch beide Kännchen. So hatten wir plötzlich keine mehr.

Nun sind wir mal wieder in Italien (ja, wir waren zwischendurch schon öfter und ja, wir haben uns natürlich auch schon eine Bialetti gekauft), aber dieses Jahr haben wir die Zeit, uns mit der Moka-Kultur auseinanderzusetzen und stellen fest: Da ist mehr als Bialetti, und was da ist, ist spannend.

1. Die originale Bialetti – Eine italienische Revolution

Bialetti Mokina - Mini-Moka-Kännchen für eine Tasse Espresso in den Farben der italienischen Flagge auf einem Gaskocher
Bialetti Mokina – Mini-Moka-Kännchen für eine Tasse Espresso – Foto: Phil von reisenstattrasen.de

Das Moka-Kännchen wurde 1933 von Alfonso Bialetti in seiner kleinen Werkstatt in Crusinallo, nur fünf Kilometer von seinem Geburtsort Omegna entfernt, erfunden. Nach Jahren in einer französischen Aluminiumfabrik kehrte er 1918 nach Italien zurück und eröffnete seine eigene Aluminiumgießerei. Die „Moka Express“ sollte die Espressozubereitung zu Hause ermöglichen – allein durch den Dampfdruck der Kanne.

Der wahre Durchbruch kam jedoch erst 1946, als sein Sohn Renato die Firma übernahm. Mit seinem Marketinggenie und der ikonischen Figur des „Omino coi baffi“ (des schnauzbärtigen Männchens) machte er die Moka zum Welterfolg.

Heute ist die Bialetti die traditionelle Art und Weise, diesen kleinen Kaffee zuhause zuzubereiten. Rein rechnerisch hat jeder italienische Haushalt mehrere Bialetti-Kännchen. Die Kännchen gibt es in verschiedenen Größen – von der winzigen 1-Tassen-Version bis zur großen 12-Tassen-Variante. Die klassischen Größen sind 3 und 6 Tassen, wobei eine „Tasse“ hier etwa 50ml Espresso entspricht.

Übrigens: Auch ich nenne die Kännchen manchmal Espresso-Kännchen, obwohl das technisch nicht korrekt ist. Laut der offiziellen Definition des Istituto Nazionale Espresso Italiano muss Espresso mit 9 Bar Druck durch das Kaffeemehl gepresst werden – das kann kein Herdkännchen gewährleisten. Die Moka arbeitet mit etwa 1,5 bis 2 Bar.

2. Die Cuccumella – Die neapolitanische Tradition

Caffettiera Napoletana – Foto: AI edited

Die Cuccumella, auch bekannt als Caffettiera Napoletana, ist tatsächlich älter als die Bialetti. Sie wurde 1819 vom französischen Zinnschmied Jean-Louis Morize erfunden und war ursprünglich aus Kupfer gefertigt – daher auch der Name, denn „cuccuma“ bedeutet Kupfervase. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war sie fester Bestandteil italienischer Haushalte, bevor sie von der Moka Express allmählich verdrängt wurde.[^1]

Das Besondere an der Cuccumella ist ihr Filterprinzip: Anders als bei der Moka, wo das Wasser von unten nach oben durch das Kaffeepulver gepresst wird, arbeitet die Cuccumella mit der Schwerkraft. Das heiße Wasser tropft langsam durch das Kaffeemehl – ein Prozess, der Geduld erfordert, aber einen besonders milden und aromatischen Kaffee hervorbringt. Nach der Zubereitung wird das gesamte Kännchen umgedreht, daher auch der englische Name „Neapolitan flip coffee pot“.

In Neapel ist die Cuccumella mehr als nur eine Kaffeemaschine – sie ist Teil der kulturellen Identität. Die neapolitanische Kaffeekultur hat sogar Traditionen wie den „Caffè sospeso“ hervorgebracht, den aufgeschobenen Kaffee, bei dem man einen zusätzlichen Kaffee für einen Bedürftigen bezahlt. Eine Geste der Solidarität, die tief in der neapolitanischen Seele verwurzelt ist.

3. Die Gemini Express – Das Design-Wunder

Foto: Phil von reisenstattrasen.de

Dies ist das Multitalent, das wir selbst erst dieses Jahr kennengelernt haben. Die Gemini wird seit den 2020er Jahren wieder in Italien hergestellt, ist aber eigentlich ein Kind der 50er und 60er Jahre. Das sieht man schon am Design – mit dem es der Kocher übrigens auch ins MoMA geschafft hat.

Das Geniale an der Gemini Express (übrigens Gemini wegen des Sternbilds Zwilling, weil die Maschine zwei Tassen parallel machen kann) ist, dass hier gerecht zwei Portionen hergestellt werden. In der Bialetti oder anderen Kännchen landet das komplette Brühergebnis in einem Behälter und wird auf zwei Tassen verteilt. Die einen meinen, die erste Tasse schmecke besser als die zweite, die anderen behaupten das Gegenteil. Bei der Gemini werden beide Tassen gleichzeitig befüllt – das führt zu identischen Ergebnissen.

Außerdem lässt sich das Sieb der Gemini mit einem Einsatz verkleinern, was dazu führt, dass nur noch eine Tasse erstellt wird oder zwei Tassen mit einem dünneren Kaffee hergestellt werden. So ist man mit der Gemini nicht nur stylisch, sondern auch flexibel unterwegs.

Die Kunst der Zubereitung

Die Zubereitung mit einem italienischen Herdkännchen ist ein Ritual, das Aufmerksamkeit und Hingabe erfordert. Hier die universelle Anleitung, die für alle drei Kännchen-Typen gilt – mit ihren jeweiligen Besonderheiten:

Schritt 1: Das Wasser
Fülle den unteren Teil des Kännchens mit heißem Wasser bis knapp unter das Sicherheitsventil. Bei der Bialetti und Gemini ist das der Kessel, bei der Cuccumella der obere Teil (der nach dem Umdrehen unten ist). Heißes Wasser verkürzt die Kochzeit und verhindert, dass das Kaffeemehl zu lange erhitzt wird.

Schritt 2: Der Kaffee
Fülle den Trichter oder Filter locker mit gemahlenem Kaffee – mittlerer bis feiner Mahlgrad, aber nicht so fein wie für Espresso. Streiche den Kaffee glatt, ohne ihn zu pressen. Bei der Cuccumella kommt das Kaffeemehl in den Mittelteil, bei Bialetti und Gemini in den Trichter.

Schritt 3: Das Zusammenbauen
Schraube die Teile Hand-fest zusammen. Bei der Cuccumella setzt du alle drei Teile ineinander, bei Bialetti und Gemini schraubst du Ober- und Unterteil zusammen.

Schritt 4: Die Hitze
Stelle das Kännchen auf den Herd auf mittlere Hitze. Bei zu starker Flamme verbrennt der Kaffee. Das typische Gurgeln der Moka zeigt an, dass der Kaffee durchläuft. Bei der Cuccumella wartest du, bis das Wasser kocht, dann drehst du das Kännchen um und lässt die Schwerkraft arbeiten.

Schritt 5: Der perfekte Moment
Nimm das Kännchen vom Herd, sobald das Gurgeln in ein Zischen übergeht (Bialetti/Gemini) oder wenn das Wasser durchgelaufen ist (Cuccumella). Der Kaffee sollte nicht kochen.

Was lernen wir?

Espresso ist nicht Espresso und Moka ist sowieso keiner. Der italienische Kaffeehistoriker Alberto Grandi provoziert sogar mit der These, dass der Kult um den italienischen Espresso „eine ziemlich heftige Selbsttäuschung“ sei. Dennoch – oder gerade deswegen – ist ein Kaffeeritual etwas Besonderes.

Wir haben unser Moka-Kännchen immer dabei. Eines im Auto für Stau-Situationen oder Länder, in denen es keinen Autogrill und damit keinen spitzenmäßigen Espresso an der Autobahn gibt, eines im Wohnwagen und unzählige zuhause. Ohne das Kännchen wollen wir auch gar nicht mehr sein, denn es ist eine unkomplizierte und wunderbare Art, Kaffee zuzubereiten und dabei etwas von Italien zu träumen, dem Gurgeln der Maschine zu lauschen und ein paar Minuten abzuschalten, während man auf das schwarze Gold wartet.

Die Moka ist mehr als nur eine Kaffeemaschine – sie ist, wie es die Italiener sagen würden, ein „oggetto culturale“, ein Kultobjekt, das die italienische Lebensart in jeden Haushalt der Welt trägt. Jeder Schluck erinnert uns daran, dass Kaffee nicht nur ein Getränk ist, sondern wie Eduardo De Filippo es ausdrückte: die Poesie des Lebens selbst – und dass sie uns, neben der Beschäftigung mit der Zeit, auch eine gewisse Gelassenheit des Geistes schenkt.

Podcast-Empfehlung: Kurz gesagt: Italien

Wenn du mehr über die italienische Kultur und die Geschichten hinter alltäglichen Dingen erfahren möchtest, empfehle ich dir wärmstens den Podcast „Kurz gesagt: Italien“ von Sebastian Heinrich. Der Podcast erklärt Italien Wort für Wort – Episode für Episode nimmt der Host ein unübersetzbares italienisches Wort unter die Lupe und erzählt die faszinierenden Geschichten dahinter.

Sebastian Heinrich, ein politischer Journalist, der seit seinem zwölften Lebensjahr ein zweisprachiges, deutsch-italienisches Leben führt, hilft dabei, Italien jenseits der üblichen Klischees zu verstehen. Ob es um Begriffe wie „Autogrill“, „dietrologia“ oder „cinepanettone“ geht – hinter jedem Wort steckt eine Geschichte, die ein Stück Italien erklärt.

Der monatlich erscheinende Podcast ist perfekt für alle Italien-Liebhaber, die das Land in seiner ganzen Komplexität und Schönheit begreifen möchten. Mit seiner gründlichen Recherche und dem breiten Themenspektrum bekommt man nicht nur Fakten, sondern auch das kulturelle Verständnis für dieses wundervolle Land.

Milleproroghe: Italiens unendlicher Weihnachtsbrauch Kurz gesagt: Italien

Das Milleproroghe-Dekret ist das Weihnachtsgeschenk, das die Regierung in Rom Jahr für Jahr den Menschen im Land beschert. Ein italienischer Sonderfall, den das Land seit Jahrzehnten nicht loswird. Diese Episode erzählt die Geschichte dieser seltsamen Tradition. Es geht um Volksvertreter, die wenig mit ihrer Macht anfangen, um eine Lotterie, die per Notstandsgesetz verschoben wird – und darum, wie die italienische Politik so kompliziert geworden ist, Das ist die 23. Folge von Kurz gesagt: Italien – dem Podcast, der Italien erklärt. Wort für Wort.
  1. Milleproroghe: Italiens unendlicher Weihnachtsbrauch
  2. Mottarello: Wie Italien zum Eisland geworden ist
  3. Premierato: Wie Giorgia Meloni die Republik umbauen will
  4. Zwei Hinweise und eine Danksagung
  5. Velina: Der Kampf italienischer Frauen um gleiche Rechte

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