[dropcap size=big]I[/dropcap]ch kann mich noch erinnern, wie ich als Kind das Wander hasste. Immer den Erwachsenen hinterhertrotten, ohne Gameboy, ohne Fernseher und nirgends (auch nicht im hohen Grad) wurde man von einem Pokemon angegriffen. Wozu also das Ganze?

Jetzt, mit 27, sehne ich mich manchmal nach dem da draußen. Wie auch bei #nerdruns möchte ich mit der Reihe #walden zeigen, wie man sich bewegen kann, ohne Fitnessguru zu werden oder 10 Wochen vor dem Fernseher herumzuhampeln. Als wir uns zuhause fragten, was man mit dem Pfingstwochenende anstellen sollten, musste ich an meine Kindheit denken. Jetzt wollte ich wandern, doch wo fängt man an? Gleich im Himalaja? Oder doch erstmal auf dem Neckartalweg, damit man wieder heim kann, wenn man scheitert?

In meiner Kindheit waren wir in Pfronten. Für mich war es soetwas wie das südliche Ende unseres Landes. Da dies der einzige Wanderurlaub war, an den ich mich bildhaft erinnern konnte, wurde als eine Pension in Pfronten gebucht. Da es im Wanderparadies aber nur noch Unterkünfte für 2 Nächte gab, musste die erste Nacht improvisiert werden. Also, erste Nacht im Auto. Bedeckt mit zwei Schlafsäcke von Quechua by Decathlon, auf zwei Luft-Iso-Matten, war es nicht sonderlich geräumig, aber dafür warm. Vorher gab es natürlich naturgekühltes Bier und feinste deutsche Pasta vom Gaskocher 🙂

Nach der ersten Nacht war eigentlich ein Besuch am Baumkronenpfad geplant, doch der Regen vermieste uns die Laune und so wurde ein klassischeres Ziel gesucht, welches ich vorher total unterschätze: Schloss Neuschwanstein.

Neuschwanstein (mit meiner AEE S71 aufgenommen)
Neuschwanstein (mit meiner AEE S71 aufgenommen)

Rund um das Schloss, in Oberschwangau, gibt es unzählige Parkplätze und unzählige Touristen aus Asien. Schon für 6€ kann man gut und bewacht parken und den Aufstieg wagen. Der ist nicht weit, denn zum Schloss sind es nur 2km. Die Tickets haben wir uns gänzlich gespart. Den Innenhof des Schlosses kann man auch so sehen und wir waren ja eigentlich nicht zum Sightseeing hier. Der Blick auf’s Schloss lohnt sich dennoch. Ich selbst habe es immer für einen Touri-Magneten gehalten, an dem man nur abgezockt wird, doch sieht man erst einmal das Schloss, welches Vorbild für jeden Disney-Film war, fühlt man sich auch in einen solchen versetzt und ist begeistert, was Architektur so kann. Übrigens lohnt es sich, sich einmal mit der Geschichte des Schlosses zu beschäftigen.

Tatsächlich habe ich diesen Prunkbau immer für eine Touristenverarsche gehalten, die nur erstellt wurde, um arme Asiaten 10€ für ein Bier und 70€ für eine Schneekugel abzuknüpfen. Eigentlich geht es bei diesem Schloss jedoch eher um Leidenschaft, die Liebe zur Formsprache und viele unerfüllte Träume. Irgendwie ist diese Schloss für mich das Wahrzeichen des Spruches “Glück kann man nicht kaufen!” geworden.

Zurück zum Wandern: Doch die paar Kilometer waren uns nicht genug und wir waren auch etwas vom Touristenansturm genervt, also sollte es noch etwas höher hinaus gehen. Wir wagten also trotz starken Regens, der nur mit Regencape erträglich war, den Aufstieg zur Bleckenau, einem wundervollen Stück Natur inklusive Gasthaus, welches seinen Namen den Blecken, also dem Huflattich zu verdanken hat, der überall auf ihr wächst. Während unseres Aufenthalts in der Hütte lies dann auch der Regen nach. Trotzdem nutzten wir den Bus für die Talfahrt, der immerhin 2x am Tag hier vorbei kommt, wir wollten ja auch am zweiten Tag noch eine Reise tun 😉 (Übrigens kann man sich auf der Bleckenau wunderbar mit riesigem Schinkenbrot stärken und einen alten, aber eindrucksvollen Unimog-Schneeschieber bestaunen).

Der zweite Tag begann ziemlich genau wie der erste: mit Regen. Nachdem wir uns aus unserem viel zu weichen Bett in der Pension geschält hatten und uns einmal mehr in Quechua-Regenmäntel einwickelten, ging es zum Frühstück im einzigen Kaffee, das in Pfronten an einem Sonntag offen hat. Die Kellnerin war unfreundlich aber herzlich… eine Mischung, die man auch nur hier findet… doch noch besser war der Kaffee und die frischen Brötchen.

Danach sollte es den Berg hoch gehen. Ersteinmal mit der Bahn, der Breitenbergbahn. Von dort aus hat man eine wunderbare Aussicht auf Pfronten, doch dies sollte nicht die beste bleiben, die wir heute zu sehen bekommen. An der Talstation der Breitenbergbahn tauschten wir plötzlich 10°C und Regen gegen -2°C und Schnee.

Ein gemächlicher Aufstieg mit ordentlich Platz zum Ausrutschen brachte mich dann endlich zu meinem ersten Gipfel auf 1.838m. Gleich daneben hat ein kluger Kopf die Ostlerhütte gebaut, die, bestückt mit einer unglaublich herzlichen Familie, für alles entschädigt, was man bis eben auf sich nahm. Bei Apfelkuchen und Radler ist die Welt eben wieder okay. Während unseres Aufenthaltes kam dann sogar noch einmal kurz die Sonne raus und selbst ich traute mich über den schmalen Grat auf den Gipfel… Meine Höhenangst die ganze Zeit in den Knien.

Ich dachte, es sei geschafft… doch das beste kommt erst noch. Denn die nächste Rast war schon in Sicht “2,5km” stand da. Los geht’s! Was ich noch nicht wusste: wir würden dafür auf 7,7km verteilt 975 Höhenmeter nach unter steigen müssen. Gut ausgestattet waren wir ja, nur Stöcke hatten wir keine dabei. So ging es von überfroren bis klitschig die Steine hinab. Ich habe sicher noch nie so gelittet, bin aber dank hilfreicher und motivierender Wanderbegleitung gut unten angekommen. Ich glaube, wäre ich alleine unterwegs gewesen, hätte ich meinen Rucksack

Unsere Wandergruppe beim Abstieg
Unsere Wandergruppe beim Abstieg

einfach genommen und in den Wald geworfen, nur um mich daneben zu setzen und dort in Ruhe zu sterben 😛 Zum Glück hatte ich jemanden dabei, der mich wieder aufbaut. Seitdem bin ich übrigens wirklich überzeugt, dass es kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung gibt. Gottseidank waren wir gut eingepackt und konnten auch unseren Schuhen vertrauen.

Im Tal machten dann “meine Muskeln dicht”, wie man so blumig sagt und ich konnte mich gar nicht mehr bewegen. Die letzten 4km, die zum Glück durchs flache Tal gingen machte ich dann gänzlich ohne Kniebewegung und viel danach nur noch ins Bett (um erst für den Stammtisch wieder aufzustehen).

Alles in allem war meine erste Wandertour ein voller Erfolg. Ich bin an meine (ich gebe zu, früh zu erreichenden) Grenzen gestoßen, konnte mich ausprobieren und weiß jetzt, was mit Spaß macht, was mir Angst macht und woran ich noch arbeiten kann. Eines ist aber klar: Die nächste Wanderung kommt ganz sicher!

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